Wann gilt eine Verwaltungsleistung tatsächlich als OZG-konform digitalisiert?
27. August 2021 10:30 Uhr
Wann gilt eine kommunale Verwaltungsleistung als uneingeschränkt digitalisiert für die breite Öffentlichkeit? Das OZG macht hierzu keine konkreten Festlegungen, ab wann eine Verwaltungsleistung entsprechend gesetzeskonform elektronisch angeboten wird. Im Gesetzestext heißt es lediglich „Verwaltungsleistungen sind auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten“, wobei als Verwaltungsleistung „die elektronische Abwicklung von Verwaltungsverfahren und die dazu erforderliche elektronische Information des Nutzers und Kommunikation mit dem Nutzer über allgemein zugängliche Netze“ verstanden wird. Da die elektronische Information des und die Kommunikation mit dem Verwaltungskunden (Nutzer) im Vordergrund steht, ist es naheliegend, dass die Verwaltungsleistung so gestaltet werden soll, dass sie möglichst durchgängig digital und nutzerfreundlich online verfügbar ist.
Eine geeignete Grundlage für die Klassifizierung des Digitalisierungsniveaus einer Verwaltungsleistung, welche auch vom IT-Planungsrat genutzt wird, bietet das Modell der EU-Kommission zur Messung der Online-Verfügbarkeit von Verwaltungsleistungen. Darin werden die Stufen 0 (Offline) bis 4 (Online-Transaktion) – wie nachfolgend dargestellt – unterschieden. Ergänzt haben wir dieses Modell mit einer Stufe X „Proaktive Leistung“, welche einen Blick in die Zukunft darstellt.
Stufe | Bezeichnung | Beschreibung |
0 | Offline | Auf der kommunalen Website sind keine Informationen zur Verwaltungsleistung für Bürger/Unternehmen vorhanden. |
1 | Information | Auf der kommunalen Website sind Informationen zur Verwaltungsleistung für Bürger/Unternehmen vorhanden. |
2 | Formular-Assistent | Es wird eine Funktion angeboten, die beim Ausfüllen des Formulars unterstützt (z.B. downloadbares, elektronisch ausfüllbares PDF). Eine reine Online-Beantragung ist jedoch nicht möglich. |
3 | Online-Leistung | Die Beantragung der Verwaltungsleistung einschließlich aller einzureichenden Nachweise kann vom Bürger/Unternehmen ausschließlich online abgewickelt werden. |
4 | Online-Transaktion | Die Verwaltungsleistung kann vollständig digital abgewickelt werden. Für einzureichende Nachweise ist das Once-Only-Prinzip umgesetzt. |
X | Proaktive Leistung | Die Verwaltungsleistung wird vollständig digital abgewickelt und ohne Aktivität des Verwaltungskunden von Amts wegen proaktiv zur Verfügung gestellt. |
Das Modell ist die Basis für eine Bewertung der Online-Fähigkeit einer Verwaltungsleistung vor der Entscheidung zur OZG-Umsetzung. Die Online-Fähigkeit einer Verwaltungsleistung ist gegeben, wenn als Digitalisierungs-Niveau die Stufe 3 (Online-Leistung) erreicht werden kann, d.h. wenn die Beantragung der Verwaltungsleistung einschließlich aller einzureichenden Nachweise vom Bürger bzw. Unternehmen ausschließlich online abgewickelt werden kann. Die Verwaltungsleistung gilt erst dann als OZG-konform digitalisiert.
Im Rahmen der EU-SDG-Verordnung müssen ausgewählte kommunale Verwaltungsleistungen, insbesondere die Ausstellung einer Geburtsurkunde, die Ausstellung einer Meldebescheinigung, die Ab- und Ummeldung des Wohnsitzes, der BAföG-Antrag, die Kfz-Zulassung sowie die Gewerbeanzeigen und -erlaubnisse, sogar vollständig digital im Reifegrad der Stufe 4 (Online-Transaktion) in deutscher und englischer Sprache angeboten werden.
Die Stufe X „Proaktive Leistung“ geht darüber hinaus und stellt eine proaktive Leistung von Amts wegen dar, wie es beispielsweise schon die Sozialversicherungsträger in der Republik Estland vorleben. Welcher Grund spricht tatsächlich dagegen, das Kindergeld nicht automatisch (ohne Antrag) zu bescheiden, sobald die Anzeige der Geburt des Kindes erfolgt ist? Oder warum werden nach festgestellter Schwerbehinderteneigenschaft nicht automatisiert der Schwerbehindertenausweis sowie die entsprechenden Sonderparkausweise für behinderte Menschen versandt? Verwaltungsdigitalisierung braucht nicht nur Softwarelösungen sondern im Besonderen eine Änderung der Verwaltungskultur!